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Agnes Gossen-Giesbrecht

Wendelin Mangold - Jubilar und Wortakrobat

 

Wendelin Mangold ist 70 geworden! Er ist einer der wenigen russlanddeutschen Dichtern, die den Mut hatten, aus der klassischen Reimtradition auszubrechen und neue Wege zu gehen. Da er als ehemaliger Lehrstuhlinhaber die deutsche Sprache sehr gut beherrscht und spielerisch mit ihr umgehen kann, hat er wie auch sein Altersgenosse Waldemar Weber oder die jüngere Lore Reimer den Reimzwang fast beiseitegelegt und benutzt das Reimen nur gelegentlich. Dadurch hat er eine große innere Freiheit gewonnen und bei äußerst knappen Ausdrucksmitteln eine Verdichtung erreicht, die ein echtes Gedicht eigentlich ausmacht. Darüber ist viel geschrieben worden. Trotzdem bleibt seine Lyrik ein bisschen den Hieroglyphen ähnlich. Bei der äußerlichen Einfachheit seines Stils behalten seine Gedichte immer ein poetisches Geheimnis und eine zweite oder dritte Ebene. Dasselbe ist für mich Wendelin auch als Person oder Persönlichkeit geblieben. Er hält sich immer etwas bedeckt, obwohl mir sowie seine ruhige besonnene Art, mit Problemen umzugehen, sehr imponiert , als auch sein Wissen, seine Ratschläge, seine Hilfsbereitschaft im Bezug auf junge Autoren. Er hat bei mehreren russlanddeutschen Seminaren moderiert, ist seit 15 Jahren als Redaktionsmitglied der Literaturkalender und Almanache des Literaturkreises für die deutsche Lyrik zuständig wie im Literaturkreis so auch bei der Landsmannschaft, wo er u.a. auch ein Lesebuch zu der „Geschichte der russlanddeutschen Literatur“ von Johann Warkentin zusammengestellt hatte.
Besonders ist mir ein Seminar „Übersetz dich selbst“, das er zusammen mit Viktor Heinz und Johann Warkentin meisterte, in Erinnerung geblieben. Das war eine richtige Poesieschule für junge Autoren.
Unter seinem Einfluss habe ich mich getraut, auch neue Wege in der Dichtung einzuschlagen. Meine russischen Gedichte habe ich stets gereimt, aber in Deutsch habe ich mich lange nicht getraut, Gedichte zu schreiben, mich erst in Kurzerzählungen versucht und bei unseren „Klassikern“ viel gelernt. Besonders lehrreich war für mich ein teilweise scherzhafter Versuch von Wendelin, alle Adjektive in einem meiner in etwas blumigem Stil geschriebenen Gedichte zu streichen. Ich fühlte mich „mangoldisiert“, weil es plötzlich so wie eins von seinen Gedichten wirkte, aber dieser Versuch war auch sehr lehrreich für mich auf dem Weg nach Verknappung und Verdichtung meiner Gedichte.
Also kann ich ihn gewissermaßen als meinen Lehrer oder Poesiepädagogen ansehen. Ich verfolgte immer neugierig seine Neuerscheinungen, aber besonders stark war ich von seinen ersten Gedichten nach dem Umzug nach Deutschland im „Volk auf dem Weg“ begeistert und betroffen, da sie mir wie aus der Seele sprachen, wo er sich auch nicht scheute, Gefühle zu zeigen, die er später unter des Maske der Ironie zu verbergen begann.
Ich möchte Wendelin zu seinem 70. Jubiläum noch viel schöpferische Kraft, die ihm gebührende Anerkennung in Deutschland und stilles privates Glück im Kreise seiner Lieben wünschen.